9. März 2018

Stellenwechsel- Bootsfahrt und überflutetes Zimmer

Hey du, 
ich weiß du hast hier lange nichts mehr von mir gehört. Das liegt daran, dass ich wieder zu meiner alten Stelle gewechselt bin und hier habe ich eindeutig weniger Zeit. Trotzdem habe ich einiges erlebt, wovon ich dir gerne erzählen möchte.
Wie ich in einem früheren Eintrag schon mal erwähnt habe, bin ich Anfang November von meiner eigentlichen Einsatzstelle in eine andere gewechselt, da Julia in Heimataufenthalt gegangen ist. In der Zwischenzeit habe ich bei einer wirklich lieben Familie gelebt und die Zeit dort sehr genießen können. Gegen Mitte Januar kam Julia dann aus Deutschland zurück und es fand wieder der Stellenwechsel statt.
Ich hatte schon so ein Gefühl das nun eine schwierige Zeit bevorstehen würde. Das lag daran, dass die Regenzeit mittlerweile gekommen war und einiges angerichtet hatte. So bekam ich die Nachricht, dass mein Zuhause nur noch mit dem Boot erreichbar war, weil eine Brücke auf dem Weg dorthin eingestürzt war. Außerdem erfuhr ich, dass die Decke über meinem Zimmer kaputt gegangen sei und dort alles unter Wasser stand. Dazu kam, dass es überall Stromausfall gab und ich wusste, dass ich kaum bis garkeinen Handyempfang über mehrere Tage haben würde. Meine Freude hielt sich also dementsprechend in Maßen…
Am Freitag gegen Mittag holte mich Julia mit meinen ganzen Sachen bei der Familie ab wo ich gewohnt hatte. Da Nachts keine Boote fuhren und wir nicht mit dem Auto in Mossuril (meine Stadt) reinkamen, mussten wir in Monapo (der nächsten größeren Stadt) übernachten und unser Auto auch da abstellen. Gegen 21 Uhr kamen wir also voll fertig bei einer Freundin von Julia an. Ganz toll war natürlich auch der zusätzliche Stromausfall. So musste ich dann erstmal im Schein einer kleinen Kerze meine beiden Koffer aufräumen und alles in einen Backpack packen, was ich für die nächsten 3 Tage in Mossuril und die darauffolgenden 10 Tage in Sambia ( im nächsten Eintrag mehr dazu) brauchen würde. Das war schon so eine Herausforderung an sich, aber dazu kam das ich nur das allernötigste einpacken durfte, da ich diese Last im Notfall Stundenlang auf meinem Rücken tragen musste und ich bin nun mal echt nicht der stabilste Mensch auf Erden. Außerdem hatte ich noch ein unglaublich unschönes Gefühl, weil ich meine Koffer, mit allen Sachen die ich in Afrika überhaupt hatte, bei einer fast fremden Afrikanerin und ihrer Familie zurück lassen musste.
Um 5 Uhr morgens am nächsten Tag fuhren wir mit der nächsten Chapa die am Haus vorbei fuhr zu unserem Gesundheitszentrum, weil wir dort einige Sachen abholen mussten. Dort warteten wir eine Zeitlang und fuhren dann mit der nächsten Chapa in Richtung Küste, wo wir mit dem Boot fahren würden. Auf dem Weg dorthin sahen wir, wie schrecklich alle Häuser durch den Regen und Sturm zerstört waren. Gefühlt nur noch 1/3 aller Häuser waren heile. Es war ein schreckliches Bild diese großen Zerstörungen zu sehen.
Eins von unzähligen zerstörten Hütten

Nach ungefähr einer Stunde kamen wir an der Küste an und erwischten sogar direkt ein Boot, mit dem wir nach Mossuril fahren konnten. Spätestens jetzt war ich echt froh, dass ich ein Backpack für meine Sachen mitgenommen hatte und keinen Koffer, denn wir mussten erst noch durch kniehohes Wasser watscheln, um zum Boot zu kommen. Auf dem Boot war auch schon alles nass. Aber trotzdem fand ich die ganze Aktion schon irgendwie aufregend…


Ich genoss die Fahrt unglaublich! Das Meer war nicht zu stürmisch und nicht zu ruhig. Ich konnte einfach meine Augen schließen, den Wellen lauschen, den leichten Wind fühlen und für einen Moment meine Sorgen vergessen.
Vielleicht eine Stunde später kamen wir an der Küste in Mossuril an. Auch hier mussten wir erst noch durchs Wasser um an Land zu kommen. Aber da meine Röcke schon von davor nass waren, war es sowieso egal. Gefühlt alle Mitarbeiter die wir bei unserem Zentrum haben, dort wo wir leben, nahmen uns in Empfang. Mit einer Chapa von einem Freund der schon auf uns wartete, fuhren wir dann 10 min zu unserem Haus.
Meine Aufregung stieg. Ich hatte keine Ahnung, was ich in unserem Haus erwarten sollte. Erstmal war es sowieso fast drei Monate unbewohnt gewesen, und dann war da noch mein Zimmer das unter Wasser stehen sollte. Ich schloss die Tür auf und trat ein. Direkt strömte mir ein modriger Geruch entgegen und ich sah Kakerlaken über den Boden laufen. Am liebsten wäre ich direkt wieder umgedreht, aber da musste ich jetzt durch. Ich ging weiter zu meinem Zimmer um das Ausmaß der Katastrophe zu sehen. Es ging… alles war nass, auf dem Boden war eine 10 cm Schicht Wasser und es stank nach vergammelt, aber sonst ging`s…


Eigentlich war ich ziemlich fertig von dem Weg, hatte unglaublich Hunger da es bis jetzt noch keine Möglichkeit gegeben hatte, überhaupt etwas zu essen oder zu trinken, war übermüdet und wollte mich einfach nur irgendwo hinlegen. Ein Blick auf mein durchnässtes Bett ließ alle Hoffnung auf Ruhe in Luft aufgehen. Ab jetzt war viel Arbeit angesagt. Das Wasser in meinem Zimmer wurde ausgeschöpft und alle Sachen und Möbel raus getragen. Dabei entdeckte ich, dass ein Regal und meine Kleiderkiste mit einigen Kleidungstücken voll am schimmeln waren. Das motivierte mich natürlich sehr, voller Elan weiter zu machen. Nein Spaß, eigentlich hatte ich sehr gerne weinen wollen, aber ich entschied, dafür war nicht der richtige Moment.
Danach mussten wir die ganzen Sachen aus den Regalen in der Küche ausräumen, um alles zu säubern. Als ich bei unserer Teekiste ankam, hörte ich es rascheln. Ich ahnte schon wieso. Vorsichtig öffnete ich die Schublade und sah es direkt: Kakerlaken… in Unmengen… Ich musste erstmal einen Schrei unterdrücken und entschloss mich dann dazu die Schublade einfach wieder vorsichtig zu schließen.
Später trug ein Mitarbeiter die Kiste nach draußen und kippte sie um. Es war ekelhaft! Ich übertreibe nicht wenn ich sage, dass da mindestens 40 Kakerlaken auf einmal raus gelaufen kamen. Direkt wurde mir bewusst, dass Kakerlaken wahrscheinlich wirklich die einzigen Lebewesen sind, die den 3.Weltkrieg mit Atombomben und allem drum und dran locker weg überleben würden… Die Kakerlaken wurden alle sorgfältig getötet und dann schauten wir nach, was wir aus der Kiste noch retten konnten. Ja, es werden jetzt tatsächlich immer noch die Teebeutel getrunken die sich in der Kiste befanden und zum größten Teil von den Viechern als Nistplatz verwendet und angeknabbert wurden. In Afrika ist nun mal alles wertvoll und wird bis zum bitteren Ende verwendet. Ich für mein Teil habe die ersten 3 Wochen meine Finger von dem Tee gelassen, aber dann irgendwann wollte ich dann doch gerne mal ein Tee trinken. Afrika halt…
Irgendwann nachmittags gab es dann endlich was zu essen, der Strom ging wieder an, nur der Handyempfang fehlte. Denn Rest des Tages wurde weiter aufgeräumt.
Die Nacht schlief ich in der Küche. Ich wurde ständig wach. Entweder von den noch nicht entdecken Kakerlaken, die sich in der Küche immer noch sehr wohl fühlten, oder weil es immer wieder regnete und da das Dach in der Küche undicht war, tropfte mir immer wieder Wasser ins Gesicht.  
Aber es war geschafft. Der erste Tag war überlebt. Immer wieder betete ich, die nächsten drei Tage mögen schneller vorbei gehen, als man blinzeln konnte. Denn dann würde ich für 10 Tage von alle dem erlöst sein. Die nächste Reise würde anfangen, nach SAMBIA…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen