15. August 2018

Mein letzter Eintrag

Ja ich weiß, das hier kommt ziemlich spät. Immerhin bin ich nun seit fast zwei Monaten wieder in Deutschland. Jedoch habe ich es einfach nicht so stehenlassen wollen und habe meine Zeit gebraucht, alles noch einmal zu reflektieren. Also jetzt meine letzten Worte zu meinem Auslandsjahr in Mosambik, viel Spaß dir ein letztes Mal beim lesen meines Blogs...

„…Mittlerweile war es schon dunkel geworden. Weit und breit weder vor noch hinter uns ein Auto und auch kein Dorf in Sicht. Ich war schon kurz vorm einnicken, da gab es einen Knall, und das Auto fuhr plötzlich komisch. Wir hielten an, stiegen aus und wie befürchtet war das linke Hinterrad geplatzt... Leichte Panik stieg bei uns auf. Wir beide hatten selber noch nie ein Rad gewechselt und waren auf uns alleine gestellt. Im leichten Licht einer kleinen Taschenlampe fingen wir an nach unserem besten Wissen die benötigten Gegenstände vorzubereiten, ständig im Hinterkopf, dass im hohem Gras direkt neben dem kaputten Rad eine Menge Schlangen sein könnten und das wir von Leuten aus dem Busch überfallen werden könnten. Ich versuchte trotzdem ruhig zu bleiben, was aber beinahe unmöglich war, bei den hektischen Bewegungen und durchgehend, lautem, panischem Gebet von Julia neben mir.
Ich war grade dabei mit einer Art großem Schraubschlüssel das Ersatzrad runter zu kurbeln, als am Horizont der Scheinwerfer eines Autos aufleuchtete. Da brach die Panik völlig aus…“ (Zitat aus meinem Blog, 5. Tag)

Wenn ich zurück denke, an den Anfang meines Auslandsjahr, dann muss ich über mich selber lachen. Ich war so klein, naiv und ahnungslos. Hätte ich damals gewusst was ich noch alles durchleben würde, so wär ich wahrscheinlich sitzen geblieben und hätte beruhigt weiter geschlafen. So war es aber nicht. Diese Situation war mein erster von vielen kleinen Zusammenbrüchen.
Die Erfahrung ´Afrika´ schlug in mein zuvor wohl behütetes Leben ein wie eine Bombe. Mit einem Schlag war alles anders. Die Hitze, das Essen, die Kultur, neue Kleidungsart, neue unbekannte Sprachen- keiner verstand mich, das Leid um mich herum, die komplizierte Wohnsituation, die nicht meinen Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsaufgaben und nie enden wollenden Arbeitstage, die tiefe bisher unbekannte und gefühlt für alle ewig andauernde Einsamkeit… Meine Gebete änderten sich von „Jesus bitte lass den Tag heute zu einem schönen Tag werden“ zu „ Vater, ich flehe dich an, bitte gib mir Kraft den Tag zu überleben und lass mich heute Nacht wieder in meinem eigenem Bett schlafen“. Denn in der Zeit durchlebte ich mehr, als ich meinem schlimmsten Feind jemals wünschen könnte. Es folgten ungewollte Übernachtungen im Auto, eine beängstigende Beerdigung, unzählbare schlaflose Nächte, eine lange Choleraphase die das Volk schier verrückt machte und zu extremer Gewalt führte, sterbende Leute in meiner Umgebung und Unmengen an Ungerechtigkeit, bei der ich leider nur tatenlos zusehen konnte.

Tausende Male fragte ich mich wieso ich überhaupt hier war und wieso ich nicht einfach zurück nach Deutschland ging. Es war wegen den Leuten die mir ans Herz gewachsen waren und die mich immer wieder motivieren weiter zu gehen und stärker zu werden, und wegen der Gewissheit, dass Gott mich genau an diesem Ort haben wollte – im Norden Mosambiks, Distrikt Nampula, irgendwo umgeben von Busch. Und Gott hat mich die ganze Zeit durch nie verlassen. Denn von damals, als ich mir in der Situation spät abends an meinem grade mal 5. Tag in Afrika nicht habe vorstellen können, wie es noch irgendwie schlimmer gehen könnte, bis zu den letzten Tagen in Afrika habe ich gelernt, es geht immer schlimmer. Aber jede dieser schlimmen Momente habe ich mit Gott als mein Schutz überlebt.
Fragt man mich Heute was mein schönstes Erlebnis in Mosambik war, so muss ich sehr lange darüber nachdenken. Aber irgendwann kam ich auf ein Ergebnis. Vor meiner Ausreise, traf ich mich mit meiner Vorgängerin und fragte sie damals genau diese Frage. Sie antwortete: „Manchmal wenn man grade irgendwo warten musste und da zufällig Kinder waren mit denen man spielen konnte, das waren die schönsten Momente.“ Damals fand ich diese Antwortet etwas komisch, heute könnte ich meine Unterschrift unter diese Aussage setzen. Denn manchmal war ein zugeworfenes Handküsschen von irgendeinem Kind am Straßenrand, bevor es kichernd weglief das schönste was in der Woche passierte.

Heute bin ich unbeschreiblich glücklich, dass diese Reise hinter mir liegt. Dankbar für alle die mir da durchgeholfen haben. Und jetzt liegt die nächste Reise vor mir. Die, in der ich mich neu kennenlernen und meinen neuen Platz finden muss, weil ich mich durch einfach allem in dem Jahr so sehr verändert habe. Aber jetzt bin ich stärker, mutiger, schlauer. 
Ich bin gewachsen.

11. März 2018

Sambia- Victoria Falls und Baboons

Ich war in Sambia! Das war ein ziemliches Abenteuer. 
Schon alleine die Reise dorthin war ein Abenteuer und ich hätte um ehrlich zu sein nie gedacht, dass ich tatsächlich in Sambia ankommen würde. Durch die ganzen Umstände die es zu dieser Zeit gab, gestaltete sich das ganze etwas schwierig.

Von meiner Organisation her, muss ich an mehreren Seminaren teilnehmen. So auch an einem Zwischenseminar und das fand mit anderen Freiwilligen in Sambia statt. Insgesamt waren wir 9 Freiwillige. Zusammen haben wir uns Urlaub genommen und nach dem Seminar noch ein paar Tage gemeinsam dort verbracht.
Und das ganze sah dann so aus:
Am Dienstag Morgen, um 5 Uhr marschierten wir zu Fuß los, um zum Boot zu kommen. Mit meinem Backpack auf dem Rücken und noch einem Rucksack bei mir, ging es zusammen mit Julia und einem Mitarbeiter durch hohes Gras und Schlamm, vorbei an Hütten, wo die Menschen grade erst aufstanden und uns völlig verwirrt ansahen. Hatten wahrscheinlich noch nie Weiße diese Wege gehen sehen.
Auf dem Boot
Eine Dreiviertelstunde später kamen wir an der Küste an und sahen schon ein Boot im Wasser warten. 
Wieder mussten wir durchs kniehohe Wasser und ich hatte echt sorge, dass mein Backpack nass wird, immerhin müsste es heute noch in ein Flugzeug. Aber alles ging gut. Das Boot wurde zwar so heftig überladen mit Menschen, das es zu untergehen drohte, aber bisschen mehr als eine Stunde später kamen wir doch heile am Ufer an.
Auf der zweiten Chapa
Mit einer Chapa ging es weiter nach Monapo, wo wir unser Auto abgestellt hatten. Mitten auf dem Weg hielt die Chapa an um riesige Mengen an Holz auf die Ladefläche zu packen, die schon so voller Leute war. Irgendwann wurde uns das zu bunt und mit dem Gedanken das sowieso jemand zwei weiße Frauen am Straßenrand mitnehmen würde, stellten wir uns an die Straße. Tatsächlich kam wenig später eine andere Chapa und wir fuhren weiter. 

Wir kamen in Monapo an und wechselten zu unserem Auto. Durch das ganze hin und her mit den Chapas wurde uns die Zeit langsam ziemlich knapp. Also rasten wir los. Gegen 12 Uhr spätestens musste ich beim Flughafen sein. Tatsächlich schaften wir es grade noch rechtzeitig, um uns noch schnell etwas zum essen zu kaufen, da wir bis jetzt noch nichts anderes als paar Erdnüsse gegessen hatten.
Ich in Buschklamotten,
ja so siehts aus
Am Flughafen fühlte ich mich in meinen dreckigen `Buschklamotten` sehr unwohl. Immerhin war das hier eine Großstadt, wo sich die Menschen ganz normal kleideten. 
Mein Aufregungsgrad stieg ins unermessliche. Das letzte mal das ich alleine geflogen war, war auf dem Flug nach Mosambik, und das war mittlerweile ein halbes Jahr her.
Aber es klappte alles beim einchecken und wenig später saß ich umgeben von Asiaten in dem kleinen Warteraum. Nachdem ich etwas zur ruhe gekommen war, ging ich auf die Toilette, um mich von meinen Buschklamotten zu befreien. Endlich konnte ich anstelle des Wickelrocks und Sandalen, eine Jogginghose und Turnschuhe anziehen. Und selbstverständlich zog ich voller Freude mein Kopftuch aus. Die Gesichtsausdrücke von den Leuten in der Wartehalle waren herrlich erstaunt als sie mich sahen:) 
Anders als ich aufgrund der vielen Asiaten erwartet hatte, waren in meinem Flugzeug wenn es hoch kam vielleicht nur 12 Leute drin. Ich musste echt lachen als der Flieger so leer startete.
Ich habe es geliebt zu Fliegen... endlich konnte ich Freiheit fühlen. Und das essen erst... ich kam mir schon unmenschlich vor bei der Geschwindigkeit, in der ich alles aufgegessen hatte. Aber nach dem Essen in der letzten Zeit war das hier ein Festmal. Und es gab Kaffee!!
Paar Stunden später landeten wir beim Flughafen in Johannesburg (Südafrika). Ich muss echt sagen, vorm Umsteigen hatte ich mega Respekt! Ich kam mir auch ziemlich komisch vor. Es war schon dunkel draußen und im Transfer-bereich war außer mir weit und breit kein Mensch. Und das auf einem so riesigen Flughafen. Aber später in der Wartehalle kamen wieder ein paar Menschen. Tausendmal checkte ich meine Reisedaten und die Anzeigetafeln, und lugte auf die Boardingcards von den Menschen die neben mir beim Gate saßen, um sicher zu gehen, das ich richtig war. Aber ich genoss es trotzdem in völliger ruhe für mich zu sein, mit Lieblingsmusik im Ohr und freudiger Erwartung auf Sambia und die Begegnung mit den anderen Freiwilligen.
Alles klappte perfekt und ich saß später im Flugzeug neben einem älteren Mann, der zwar kein Wort sprach, aber mich nett anlächelte. Damit war ich völlig zufrieden.
Kurz vor 21 Uhr landeten wir dann in Lusaka (Hauptstadt von Sambia). Mit dem Visum klappte auch alles wunderbar und wenig später stand ich draußen beim Ausgang vor dem mittlerweile verlassenen Flughafen, umgeben von Taxifahrern die mich mitnehmen wollten. Joa… eigentlich hätte mich hier jemand abholen sollen. Ich kam mir sehr hilflos vor. Aber irgendwann kam dann doch ein Mann mit meinem Namen auf einem Zettel an und ich war schrecklich erleichtert.
Auf der Fahrt zu der Unterkunft erlebte ich erstmal den größten Kulturschock überhaupt. Ich konnte mit dem afrikanischen Mann neben mir ganz normal reden und ihm dabei wenn ich wollte sogar in die Augen schauen. Am Anfang traute ich mich garnicht richtig und gab sehr knappe Antworten. Aber dann konnte ich garnicht mehr aufhören zu reden… wie ich es vermisst habe!
Als wir bei der Unterkunft ankamen, nahm mich zunächst die Anleiterin von den beiden Freiwilligen in Sambia in Empfang. Sie zeigte mir mein Zimmer und sah noch nach ob alles beim rechten sei. Dabei entdeckte sie drei Wasserflaschen auf dem Tisch. Und ich staunte als sie nach dem Verfallsdatum schaute. Ja und dann nahm sie die Flaschen tatsächlich mit… Ist das zu glauben?? Ich verstand die Welt nicht mehr, war völlig verwirrt. Hier in Mosambik trinke ich sehr oft Wasser das nicht mal durchsichtig ist und wo meistens noch was drin rumschwimmt. Ja und jetzt warf die Frau doch tatsächlich wunderbares Wasser weg, nur weil das Datum nicht stimmte… Bis heute erinnere ich mich daran, wenn ich hier mal wieder schlechtes Wasser trinke, und kann es noch immer nicht fassen. Ich begleitete sie zu ihrem Haus und bekam schweren Herzens neues Wasser. Sie brachte mich noch zurück zu meinem Zimmer und da traf ich endlich auf die beiden anderen Freiwilligen. Jungs wenn ihr das hier liest, für mich war es als würde die Sonne mitten in der Nacht aufgehen, so sehr habe ich mich gefreut euch zu sehen! Aber ich glaube das wisst ihr schon, so hyperaktiv wie ich in diesem Moment war :D Mit anderen Worten, ich hätte glücklicher und zufriedener nicht sein können! Auf dem Weg war alles perfekt gelaufen und ich war nun endlich, nach 6 Monaten, zusammen mit Menschen in meinem Alter, und sie waren auch noch deutsche. Ich konnte mit ihnen reden und lachen und Spaß haben und mich wohl fühlen. Glaubt mir, das ist die größte Sache die ich hier in Mosambik tatsächlich bis heute noch täglich unendlich vermisse.
Am nächsten Tag gegen Mittag kamen dann die anderen Freiwilligen noch dazu. Von da an verbrachten wir die nächsten paar Tage mit Seminar Zeug. Aber ich habe trotzdem jede einzelne Sekunde genossen. An einem Tag fuhren wir zu einem Einkaufszentrum. Ich war ziemlich umgehauen von dieser unfassbaren Vielzahl an einfach allem! Das war überhaupt kein Vergleich zu den kleinen überschaubaren Lädchen in Mosambik. Ich war so überfordert das ich es grade mal schafte mir eine kleine Packung Kekse zu kaufen und Tränen zurück zu halten.
Dann fuhren wir an einem Tag alle zusammen mit einem Reisebus ca. 8Stunden runter nach Livingstone. 
Am Tag darauf ging es dann zu den Victoria Falls. Es war wunderschön! Ich verbrachte den halben Tag mit Staunen und genießen. Ich schätze mal die Fotos sprechen für sich:








Irgendwann kamen einer von den Jungs (ich nenne ihn mal Rosi, was nicht sein richtiger Name ist:) und ich an eine Stelle die ein wenig abgelegen war und verblieben dort eine Weile. Nach kurzer Zeit näherte sich uns ein Baboon (großer Pavian) und es kam noch ein Zweiter dazu und näherte sich Rosi von hinten. Ich stand ihm gegenüber und konnte den Baboon sehr gut sehen. Ich meinte noch so zu ihm: "Ist ja wie in Planet der Affen hier, pass auf der greift uns noch an":) Und tatsächlich, genau das tat er :D Er stürzte sich los auf Rosi und wollte ihm sein Rucksack wegnehmen. Das ging alles so schnell. Dann kam plötzlich aus dem nichts Kennedy ( ein einheimischer dessen Shop wir dann später besuchen mussten) mit einem großen Holzstab dazu und verjagte den Baboon. Der einzige Schaden war zum Glück nur der Verlust von einer Packung Taschentüchern. Kennedy überließ Rosi noch den Stab, damit wir uns in Zukunft verteidigen konnten und gab uns den Rat Dinge die die Form von Essen haben, lieber im Rucksack zu lassen.
Baboon mit meinem Apfel, den ich
sehr gerne habe essen wollen
Später, als wir wieder mit den anderen Freiwilligen zusammen waren, trafen wir wieder auf den Baboon. Während alle dem Baboon Beachtung schenkten stand ich weiter hinten und bemerkte das unschöne Gefühl von Hunger. Ja so blöd wie ich manchmal sein kann, habe ich dann erstmal einen Apfel aus meinem Rucksack geholt um ihn zu essen. Das bemerkte der Baboon leider und kam plötzlich in Höchstgeschwindigkeit auf mich zugelaufen. Er schafte es noch nach mir zu schnappen, bevor ich völlig in Panik einfach meinen Apfel weit wegwarf. Damit war er zufrieden. Er holte sich den Apfel und verschwand damit zu einem Busch um ihn genüsslich zu essen.
Der Rest des Tages gab es zum Glück keine Angriffe mehr. Es war ein wunderschöner Auflug. Ich genoss die Natur und die Gemeinschaft mit den anderen unglaublich!

Die nächsten Tage waren ziemlich ruhig. Wir gingen täglich in ein Einkaufsladen um essen zu kaufen und einpaar mal in Fastfoodrestaurants, was ich unglaublich feierte, da es sowas hier in Mosambik nicht gibt. Aber ich brauchte auch keine große Aktion mehr. Mir reichte es mit den anderen Freiwilligen zu sein, mit ihnen manchmal bis spät in die Nacht zu reden und mich rundum glücklich und wohl zu fühlen.  
Am Tag meiner Abreise startete ich um 5 Uhr morgens mit dem Fahrer der mich schon zum Flughafen brachte. Er warf mich am Flughafen raus und fuhr direkt weiter. Da war ich nun. Wieder ganz alleine und nur auf mich gestellt. Ich muss sagen, ich bekam wirklich leichte Panik. Auf diesem Flughafen fand ich mich einfach mal garnicht zurecht. Er war zwar nicht der größte, aber ich fand alles schrecklich schlecht ausgeschildert. Immer wieder musste ich irgendwelche Angestellte fragen ob ich richtig war. Aber es klappte alles. 
Am Flughafen in Johannesburg bekam ich dann ein riesiges Nein-Gefühl beim Gedanken wieder nach Mosambik zurück zu kehren. Auch die 12 Leute die mit mir im Gate saßen (alle wesentlich älter als ich) und später mit im Flugzeug waren, schauten mich verwundert an. Als würden sie denken: "Was um alles in der Welt will sie alleine in Mosambik?" Ja, ich weiß es manchmal selber nicht :)
Mosambik von oben

Im Flugzeug schlüpfte ich wieder in meine Buschkleidung, genoss noch die letzten Stunden in Ruhe und konnte dann nach meiner Landung in Mosambik direkt wieder in die Arbeit starten. Alles wie davor, als wär ich garnicht weg gewesen...

9. März 2018

Stellenwechsel- Bootsfahrt und überflutetes Zimmer

Hey du, 
ich weiß du hast hier lange nichts mehr von mir gehört. Das liegt daran, dass ich wieder zu meiner alten Stelle gewechselt bin und hier habe ich eindeutig weniger Zeit. Trotzdem habe ich einiges erlebt, wovon ich dir gerne erzählen möchte.
Wie ich in einem früheren Eintrag schon mal erwähnt habe, bin ich Anfang November von meiner eigentlichen Einsatzstelle in eine andere gewechselt, da Julia in Heimataufenthalt gegangen ist. In der Zwischenzeit habe ich bei einer wirklich lieben Familie gelebt und die Zeit dort sehr genießen können. Gegen Mitte Januar kam Julia dann aus Deutschland zurück und es fand wieder der Stellenwechsel statt.
Ich hatte schon so ein Gefühl das nun eine schwierige Zeit bevorstehen würde. Das lag daran, dass die Regenzeit mittlerweile gekommen war und einiges angerichtet hatte. So bekam ich die Nachricht, dass mein Zuhause nur noch mit dem Boot erreichbar war, weil eine Brücke auf dem Weg dorthin eingestürzt war. Außerdem erfuhr ich, dass die Decke über meinem Zimmer kaputt gegangen sei und dort alles unter Wasser stand. Dazu kam, dass es überall Stromausfall gab und ich wusste, dass ich kaum bis garkeinen Handyempfang über mehrere Tage haben würde. Meine Freude hielt sich also dementsprechend in Maßen…
Am Freitag gegen Mittag holte mich Julia mit meinen ganzen Sachen bei der Familie ab wo ich gewohnt hatte. Da Nachts keine Boote fuhren und wir nicht mit dem Auto in Mossuril (meine Stadt) reinkamen, mussten wir in Monapo (der nächsten größeren Stadt) übernachten und unser Auto auch da abstellen. Gegen 21 Uhr kamen wir also voll fertig bei einer Freundin von Julia an. Ganz toll war natürlich auch der zusätzliche Stromausfall. So musste ich dann erstmal im Schein einer kleinen Kerze meine beiden Koffer aufräumen und alles in einen Backpack packen, was ich für die nächsten 3 Tage in Mossuril und die darauffolgenden 10 Tage in Sambia ( im nächsten Eintrag mehr dazu) brauchen würde. Das war schon so eine Herausforderung an sich, aber dazu kam das ich nur das allernötigste einpacken durfte, da ich diese Last im Notfall Stundenlang auf meinem Rücken tragen musste und ich bin nun mal echt nicht der stabilste Mensch auf Erden. Außerdem hatte ich noch ein unglaublich unschönes Gefühl, weil ich meine Koffer, mit allen Sachen die ich in Afrika überhaupt hatte, bei einer fast fremden Afrikanerin und ihrer Familie zurück lassen musste.
Um 5 Uhr morgens am nächsten Tag fuhren wir mit der nächsten Chapa die am Haus vorbei fuhr zu unserem Gesundheitszentrum, weil wir dort einige Sachen abholen mussten. Dort warteten wir eine Zeitlang und fuhren dann mit der nächsten Chapa in Richtung Küste, wo wir mit dem Boot fahren würden. Auf dem Weg dorthin sahen wir, wie schrecklich alle Häuser durch den Regen und Sturm zerstört waren. Gefühlt nur noch 1/3 aller Häuser waren heile. Es war ein schreckliches Bild diese großen Zerstörungen zu sehen.
Eins von unzähligen zerstörten Hütten

Nach ungefähr einer Stunde kamen wir an der Küste an und erwischten sogar direkt ein Boot, mit dem wir nach Mossuril fahren konnten. Spätestens jetzt war ich echt froh, dass ich ein Backpack für meine Sachen mitgenommen hatte und keinen Koffer, denn wir mussten erst noch durch kniehohes Wasser watscheln, um zum Boot zu kommen. Auf dem Boot war auch schon alles nass. Aber trotzdem fand ich die ganze Aktion schon irgendwie aufregend…


Ich genoss die Fahrt unglaublich! Das Meer war nicht zu stürmisch und nicht zu ruhig. Ich konnte einfach meine Augen schließen, den Wellen lauschen, den leichten Wind fühlen und für einen Moment meine Sorgen vergessen.
Vielleicht eine Stunde später kamen wir an der Küste in Mossuril an. Auch hier mussten wir erst noch durchs Wasser um an Land zu kommen. Aber da meine Röcke schon von davor nass waren, war es sowieso egal. Gefühlt alle Mitarbeiter die wir bei unserem Zentrum haben, dort wo wir leben, nahmen uns in Empfang. Mit einer Chapa von einem Freund der schon auf uns wartete, fuhren wir dann 10 min zu unserem Haus.
Meine Aufregung stieg. Ich hatte keine Ahnung, was ich in unserem Haus erwarten sollte. Erstmal war es sowieso fast drei Monate unbewohnt gewesen, und dann war da noch mein Zimmer das unter Wasser stehen sollte. Ich schloss die Tür auf und trat ein. Direkt strömte mir ein modriger Geruch entgegen und ich sah Kakerlaken über den Boden laufen. Am liebsten wäre ich direkt wieder umgedreht, aber da musste ich jetzt durch. Ich ging weiter zu meinem Zimmer um das Ausmaß der Katastrophe zu sehen. Es ging… alles war nass, auf dem Boden war eine 10 cm Schicht Wasser und es stank nach vergammelt, aber sonst ging`s…


Eigentlich war ich ziemlich fertig von dem Weg, hatte unglaublich Hunger da es bis jetzt noch keine Möglichkeit gegeben hatte, überhaupt etwas zu essen oder zu trinken, war übermüdet und wollte mich einfach nur irgendwo hinlegen. Ein Blick auf mein durchnässtes Bett ließ alle Hoffnung auf Ruhe in Luft aufgehen. Ab jetzt war viel Arbeit angesagt. Das Wasser in meinem Zimmer wurde ausgeschöpft und alle Sachen und Möbel raus getragen. Dabei entdeckte ich, dass ein Regal und meine Kleiderkiste mit einigen Kleidungstücken voll am schimmeln waren. Das motivierte mich natürlich sehr, voller Elan weiter zu machen. Nein Spaß, eigentlich hatte ich sehr gerne weinen wollen, aber ich entschied, dafür war nicht der richtige Moment.
Danach mussten wir die ganzen Sachen aus den Regalen in der Küche ausräumen, um alles zu säubern. Als ich bei unserer Teekiste ankam, hörte ich es rascheln. Ich ahnte schon wieso. Vorsichtig öffnete ich die Schublade und sah es direkt: Kakerlaken… in Unmengen… Ich musste erstmal einen Schrei unterdrücken und entschloss mich dann dazu die Schublade einfach wieder vorsichtig zu schließen.
Später trug ein Mitarbeiter die Kiste nach draußen und kippte sie um. Es war ekelhaft! Ich übertreibe nicht wenn ich sage, dass da mindestens 40 Kakerlaken auf einmal raus gelaufen kamen. Direkt wurde mir bewusst, dass Kakerlaken wahrscheinlich wirklich die einzigen Lebewesen sind, die den 3.Weltkrieg mit Atombomben und allem drum und dran locker weg überleben würden… Die Kakerlaken wurden alle sorgfältig getötet und dann schauten wir nach, was wir aus der Kiste noch retten konnten. Ja, es werden jetzt tatsächlich immer noch die Teebeutel getrunken die sich in der Kiste befanden und zum größten Teil von den Viechern als Nistplatz verwendet und angeknabbert wurden. In Afrika ist nun mal alles wertvoll und wird bis zum bitteren Ende verwendet. Ich für mein Teil habe die ersten 3 Wochen meine Finger von dem Tee gelassen, aber dann irgendwann wollte ich dann doch gerne mal ein Tee trinken. Afrika halt…
Irgendwann nachmittags gab es dann endlich was zu essen, der Strom ging wieder an, nur der Handyempfang fehlte. Denn Rest des Tages wurde weiter aufgeräumt.
Die Nacht schlief ich in der Küche. Ich wurde ständig wach. Entweder von den noch nicht entdecken Kakerlaken, die sich in der Küche immer noch sehr wohl fühlten, oder weil es immer wieder regnete und da das Dach in der Küche undicht war, tropfte mir immer wieder Wasser ins Gesicht.  
Aber es war geschafft. Der erste Tag war überlebt. Immer wieder betete ich, die nächsten drei Tage mögen schneller vorbei gehen, als man blinzeln konnte. Denn dann würde ich für 10 Tage von alle dem erlöst sein. Die nächste Reise würde anfangen, nach SAMBIA…

12. Januar 2018

Heftige Beerdigung

Schon paar Tage nachdem ich hier in Mosambik angekommen bin, habe ich Julia zu einem Hausbesuch begleitet. Es ging zu einer Nachbarin von uns, die schon sehr alt war (kommt hier nicht sehr oft vor). Wie alt genau sie war, kann ich dir nicht sagen, da die Leute es meistens selber nicht wissen. Vor allem die älteren Leute hier, wurden ja eindeutig nicht in einem Krankenhaus geboren und so wurde ihr Geburtsdatum nie notiert. Wenn man sie nach ihrem Alter fragt, kommt dann sowas wie: 1974, während der Regenzeit. Und selbst ob das stimmt, ist meistens fraglich.
Aber zurück zu der alten Frau. Ich weiß nicht mehr genau was ihr gesundheitlich fehlte, aber ich denke es war irgendwas mit dem Herz. Auf jeden Fall konnte sie ihr Bett nicht mehr verlassen und bedurfte 100%iger pflege.
Es tat mir schon leid, sie da so liegen zu sehen. In dem Lehm Haus, auf einem harten und schon sehr zerstörtem Bett, in einem dunklen Zimmer. Aber ich muss gestehen, so sehr berührte mich das nicht. Sie war für die mosambikanischen Verhältnisse echt schon alt und wurde mega süß von einer jungen Frau gepflegt und durch die Schmerzmittel von uns, musste sie auch nicht mehr sehr leiden.
Julia ging noch sehr oft zu Hausbesuchen dort vorbei und nahm jedes mal benötigte Tabletten und so mit. Zwei mal begleitete ich sie noch, aber ich kam mir dabei immer so komisch vor. Ich konnte ja einfach nur da sitzen und versuchen die Frau nicht anzustarren. Also ließ ich es nach einer Weile.
Ein wenig mehr als einen Monat später bekamen wir die Nachricht, dass die Frau gestorben war. Natürlich wurden wir zu der Beerdigung eingeladen und wie es der Anstand verlangte, mussten ich da auch hin. 
Ich hatte echt keine Ahnung was mich erwarten würde. Das letzte mal das ich auf einer Beerdigung war, war irgendwie 10 Jahre her und hier ist das auch noch eine ganz andere Kultur. Beim Frühstück am Tag der Beerdigung, redeten Julia und ich noch kurz darüber. Sie meinte das es meistens sehr unspektakulär ist und sogar gut möglich ist, dass ich nicht mal den Sarg sehen werde. Abgesehen davon ist das ja eine muslimische Beerdigung, und da müssen die Frauen sowieso hinten sitzen. Allerdings kam es schon vor, dass die Angehörigen von einem verlangten irgendwas zu tun, was mit ihrem animistischen Glauben zu tun haben könnte, und da musste man vorsichtig sein.
Bisschen später holten eine andere Nachbarin und Bibi (so nennt man alle älteren Frauen, diese kenne ich jedoch, weil sie bei uns arbeitet. Immer gut drauf, immer am singen, lacht mich ständig aus :) uns zu der Beerdigung ab. Bis zu der Hütte der Verstorbenen war es vielleicht ein Weg von 50 Metern. Direkt als die Hütte in sicht war, konnte man total viele muslimische Männer davor sitzen sehen. Mir wurde direkt etwas mulmig zumute. Wir gingen an ihnen vorbei, zum Hintereingang der Hütte, und dort saßen nochmal das doppelte an Frauen. Als 'weiße' gelten wir hier ja sowieso immer als Ehrengäste, deshalb wurden wir gleich in die Hütte mit rein genommen.
In der Hütte saßen überall trauernde Frauen. Es war grade mal genug Platz, um dem schmalen Flur zu folgen, der uns in einen größeren Raum führte. Da in dem Raum schon so viele Frauen auf dem Boden saßen, gab es zu meinem großen Bedauern nur noch direkt in der Mitte Platz. Dort saßen wir uns hin und warteten. Ich habe mich wirklich sehr unwohl gefühlt... Um mich herum leise wimmernde Frauen, und die Luft war von Räucherstäbchen Rauch erfüllt.
Ich hatte überhaupt kein Plan was jetzt passieren würde, also sah ich hilfesuchend zu Julia. Die unterhielt sich grade leise mit irgendeiner Frau, konnte mir also nicht weiterhelfen. Wir warteten noch eine weile, dann rückten alle näher zusammen, um in der Mitte Platz zu schaffen.
Dann ging alles ziemlich schnell. Die Frauen fingen an irgendetwas leise vor sich hin zu singen und vier Frauen trugen ein weißes Tuch rein, worin irgendetwas lag. Da ich immer noch sehr weit in der Mitte saß, legten die Frauen das Tuch quasi direkt vor mir ab und ich musste zu meinem Schrecken feststellen, dass da plötzlich der Leichnam der Verstorbenen vor mir lag. Ich war erstmal total verwirrt. Der 'Gesang' wurde immer lauter und auch von Draußen konnte man die unzähligen Leute vor der Hütte singen/beten hören. Das war so gruselig, ich dachte mir nur: Was geht denn jetzt los? Dann breiteten die vier Frau ein anderes Tuch über die Leiche aus, hielten es aber noch fest und schwangen es immer wieder hoch und runter. Eine andere Frau kam rein, mit einer Schale in der Hand. Dort war irgendetwas oranges drin, womit sie die Leiche und das Tuch dann besprenkelte. Danach wurde eine Schale mit Baumwolle reingebracht. Eine Frau fing an immer ein kleines Stück davon ab zu ziehen und zwischen die einzelnen Finger der Leiche zu stecken. Dann wurden Julia und ich aufgefordert, es ihr nach zu tun. Die Frauen neben mir drückten mich schon fast zu der Leiche runter, hielten mir Baumwolle hin und redeten auf mich ein. Mir wurde das alles langsam zu viel, ich fing an zu zitter und wurde total unruhig. Das kam mir sehr komisch vor und ich wollte auf keinen Fall etwas machen, was mit dem animismus zu tun hatte. Ich tat so als würde ich nicht verstehen, was sie von mir wollten. Das klappte ziemlich gut, sodass sie schon mit allen Fingern fertig waren, als ich einfach nicht weiter auf dumm tun konnte.
Danach fing eine Frau an, irgendetwas sehr laut und sehr schnell zu sagen. Es war irgendein Gebet an Allah. Nach jedem Satz kam ein lautes 'amin' von allen anderen Frauen. Während dessen wurde die Leiche eingewickelt und zu gebunden. Von den Frauen die direkt um uns saßen, wurden wir immer wieder aufgefordert mit zu beten. Sie stießen uns an, zeigten wie man die Hände halten soll und so weiter. Ich stellte mich blöd, weil das meistens am besten klappt. Julia hörte ich immer wieder sagen, sie würde nur zu Jesus beten. Da lag so eine Unruhe in der Luft und die Stimmen klangen so agressiv, ich bemerkte wie ich immer stärker zitterte.
Eine Frau die neben mir stand brach plötzlich in ihrer Trauer zusammen. Sie war eine enge Verwandte der Verstorbenen. Julia und ich kümmerten uns um sie, und trösteten sie so gut wir konnten. Erstens weil sich das einfach so gehört und zweitens um eine Entschuldigung zu haben, warum wir nicht mit beteten.
Als die Gebete fertig gesprochen waren und die Leiche fertig vorbereitet war, wurde sie durch eine Tür nach draußen zu den Männern getragen. Ab da übernahmen sie und brachten den Leichnam zum Friedhof. Wir blieben da und kümmerten uns noch einwenig um die Trauenden. Irgendwann wurden wir nach draußen geführt und sollten unsere  Hände waschen. In dem Eimer war irgendwas drin. Auch davor wurde ich gewarnt, es könnte was animistisches sein. Also bestanden wir darauf normales Wasser zu bekommen, und wuschen unsere Hände dann damit.
Wir gingen nochmal kurz ins Haus, blieben aber nicht lange und 'schlichen' uns bei der ersten Gelegenheit nach Hause.
Da angekommen brauchte ich erstmal bisschen Luft, um das was ich eben erlebt hatte, zu verarbeiten. Was ist da bloß passiert?! Was von alle dem war jetzt muslimisch und was kam von dem animistischen Hintergrund? Die Frage wurde mir bis heute leider nicht beantwortet. Allerdings musste ich feststellen, dass ich mir diese Frage bis jetzt, drei monate später, noch in einigen anderen Situationen stellen musste...

7. Januar 2018

Cholera

Wenige Wochen nach meiner Ankunft in Mosambik, brach in kleinen Dörfern in Memba (eine Stadt die wir regelmäßig besuchen und wo wir ein Medizin Zentrum haben) Cholera aus. Cholera ist eine Brech-Durchfall Krankheit/Seuche, die durch Bakterien in Wasser, Nahrung, usw. übertragen wird (bei Interesse: Google weiß alles :). Grund für die Verbreitung sind meistens mangelnde Hygiene. Dadurch, dass die Menschen hier sehr häufig unterernährt sind, kann es im schlimmsten Fall schon nach wenigen Stunden zum Tod führen.
Natürlich bricht da die Panik unter den Menschen aus. Dazu kommt noch die mangelnde Bildung, denn so haben sie keine Ahnung was Bakterien sind, und das die Cholera verursachen. Also was denken die wie funktioniert das Ganze? Durch den Buschfunk ging das Gerücht, Leute von der Regierung streuen ein Pulver vor die Türen der Dorfeinwohner und dadurch werden sie krank. Natürlich völliger Schwachsinn, aber für die Betroffenen irgendwie total logisch. Also waren die Menschen nicht nur wütend auf die Regierung, und jeden der was damit zu tun hat, sondern auch auf die jeweiligen Dorfleiter, da die selbstverständlich mit der Regierung unter einer Decke stecken und das alles zulassen. Leider kam es dadurch zu schlimmen Gewaltausbrüchen...
Es verbreiteten sich massenweise Geschichten über schlimme Vorfälle. Ein Gesundheitsbeauftragter wurde geschlagen bis er ins Krankenhaus musste, ein anderer wurde mit einer Machete angegriffen, noch ein anderer wurde gezwungen eine Flasche Paracetamol auszutrinken, man habe bei dem Auto von jemanden aus der Regierung die Scheiben zerschlagen und die Reifen kaputt gestochen, und und und.... Was davon wirklich passiert ist und was nicht, wird man wahrscheinlich nie erfahren, was man aber raushören konnte war, dass die Stimmung des Volks ziemlich geladen war. 
Da wir hier medizinisch Unterwegs sind, wollten wir den Cholerakranken helfen. Aber wie hilft man Menschen die jede Hilfe ablehnen, weil sie befürchten, dass jeder der zum helfen kommt, es eigentlich verursacht? Das ist eine schwierige Aufgabe und wir überlegten lange bis wir auf einige Ideen kamen. Erstmal spendeten wir dem Gesundheitsamt Chlor, das sie in den Dörfern verteilen konnten. Dann schrieben wir einen Song, der einfache Hygieneregeln beinhaltet und sagt, was im Fall von Cholera zu tun ist. Dieser wurde dann, von einem uns bekannten Sänger, produziert und immer wieder im Radio abgespielt. Natürlich kam noch der Gedanke tatsächlich in die Dörfer rein zufahren und ihnen zu helfen, jedoch war das für uns einfach zu gefährlich, da wir auch gehört haben, dass die Menschen einfach alle fremden Menschen die in ihr Dorf kommen im Ernstfall auch mit Gewalt vertreiben.
Einige Zeit später, mussten wir laut unserem Plan einen unserer Gesundheitsposten besuchen. Das Problem dabei war aber, dass dieser in der Cholera Gegend lag, was somit ein gewisses Risiko mit sich trug. Sehr früh morgens ging es los. Vor uns lag ein weiter Weg und die Ungewissheit, was uns erwarten würde. 
Wir merkten sofort als wir in die Nähe der betroffenen Dörfer kamen. Die Mensche sahen nur unser Auto und brachen in großer Panik aus. Es war furchtbar. Sie sprangen auf, schnappten sich ihre Kinder und liefen so schnell sie konnten, um sich vor uns zu verstecken. Ich habe noch nie so angsterfüllte Gesichter und menschenleere Dörfer gesehen. Normalerweise spielt sich der Alltag des Volkes vor ihren Häusern ab, doch hier schien alles wie ausgestorben. 
Weiter auf unserem Weg, bemerkten wir in einigen Dörfern total zerstörte Hütten. Die Dächer waren runtergerissen und die Mauern eingeschlagen. ein Tag vorher, hatten wir schon gehört, dass daran die Dorfbewohner schuld waren. Die Hütten gehören den Leitern und so wollen sie die vertreiben. Das nahm so heftige Ausmaße an, dass es sogar in Fernsehn kam. An der nächsten größeren Kreuzung hielten wir an und fragten einen Mann, der dort sein Haus hatte, ob es ratsam wär weiter zu fahren. Der erzählte uns ziemlich viel beunruhigendes Zeug. Seit einigen Tage war in der Gegend eine größere Gruppe an Männern unterwegs. Die seien schwer bewaffnet und greifen jeden an, der nur ein wenig verdächtig aussieht, da sie so große Angst haben, dass auch in ihre Dörfer Cholera kommt. Außerdem sind sie es gewesen, die die Hütten zerstört haben. Der Mann erzählte uns noch, dass die Gruppe vor einigen Stunden an der Kreuzung vorbei gegangen war und sich in der Richtung aufhalten müsste, in die wir wollten.
Wir standen lange auf der Kreuzung und überlegten ob wir weiter fahren sollten. Irgendwann entschieden wir uns dafür. Wir sprachen ein Gebet, das Gott uns beschützen möge, nahmen den Mann mit, da er in der Gegend sehr bekannt war und sich im Notfall für uns einsetzen könnte, und fuhren weiter. Mit einem sehr mulmigen Gefühl...
Schon im nächsten Dorf trafen wir auf die besagte Gruppe. An die 15 Männer, bewaffnet mit Macheten und ähnlichem, und einem sehr finsteren Blick standen am Wegesrand und richteten sich direkt angriffslustig auf, als sie unser Auto kommen sahen. Uns blieb fast das Herz stehen. Gut für uns, dass der Weg an genau dieser Stelle sehr eben war. So konnten wir schnell an ihnen vorbei fahren, ohne das sie eine Möglichkeit hatten uns anzugreifen. Sie riefen uns noch wild hinterher mit erhobenem Waffen, aber sonst passierte beruhigender Weise nichts. Jedoch gab uns dieser Anblick zu denken und bot uns zu größeren Vorsicht, denn laut Aussage von dem Mann in unseren Auto, gab es noch mehr solcher Gruppen in der Gegend. Insgesamt sollten so an die 200 Männer so unterwegs sein.
Im Dorf darauf beschlossen wir stehen zu bleiben. Der Mann in unserm Auto meinte, dass dies ein friedliches Dorf sei.
Von dort aus war es zwar nicht mehr weit bis zu unserem Ziel, jedoch war es für uns 'Weiße' in einem Auto einfach ein zu großes Risiko. Wir riefen einen Mitarbeiter von dem Posten an, damit er die Materialien abholen kam, die wir eigentlich hatten hinbringen wollen.
Solange wir in dem Dorf da warteten, wurden die Dorfbewohner neugierig und umzingelten langsam unser Auto. Der Dorfälteste wurde herbeigerufen und fing ein Gespräch mit Julia an. Diese Gelegenheit nutzten wir direkt, um das Dorf über Cholera aufzuklären. Danach wollten wir denen noch Artimesia-Tee da lassen, der sehr gesund ist und von dem wir einen großen Sack dabei hatten. Als wir den Sack mit dem 'grünem Zeug' hervor holten, wichen alle vorsichtig zurück. Vermutlich dachten sie, dass dies das Cholera verursachende Pulver sei. Also blieb uns nichts anderes übrig, und nach einander aß jeder von uns ein wenig von dem Tee (Tee zu essen ist echt nicht lecker), um ihnen zu zeigen, dass davon keine Gefahr ausging. Das beruhigte sie wieder.
Der Mitarbeiter kam und holte die Sachen ab. So konnten wir endlich umdrehen und aus dem Risiko Gebiet raus. Bevor wir los fuhren, bat uns noch ein recht Junger Typ, ihn in die nächste größere Stadt mitzunehmen. Das war kein Problem. Im Auto erzählte er uns dann, wie krass es unter der Bevölkerung abging. Dass er von dem Dorf weg wollte, hatte den Grund das die aggressiven Männer ihn bei den `Raubzügen`dabei haben wollten, und da er sich weigerte kamen sie langsam auf die Idee, er würde der Regierung helfen. Ziemlich krank, immerhin wollte er einfach nur friedlich bleiben...
So rasten wir weiter nach Hause. Vorbei an den menschenleeren Dörfern, manchmal sehr angsterfüllten Menschen und sogar noch einmal vorbei an der gefährlichen Truppe von Männern, die mittlerweile schon etwas weiter gezogen waren. Wir fuhren so schnell es der Weg zu ließ, um aus der Gefahrenzone raus zu kommen. 
Das war echt mal eine seltsames Erlebnis in Memba, und gibt mir manchmal immer noch zu denken...