7. Januar 2018

Cholera

Wenige Wochen nach meiner Ankunft in Mosambik, brach in kleinen Dörfern in Memba (eine Stadt die wir regelmäßig besuchen und wo wir ein Medizin Zentrum haben) Cholera aus. Cholera ist eine Brech-Durchfall Krankheit/Seuche, die durch Bakterien in Wasser, Nahrung, usw. übertragen wird (bei Interesse: Google weiß alles :). Grund für die Verbreitung sind meistens mangelnde Hygiene. Dadurch, dass die Menschen hier sehr häufig unterernährt sind, kann es im schlimmsten Fall schon nach wenigen Stunden zum Tod führen.
Natürlich bricht da die Panik unter den Menschen aus. Dazu kommt noch die mangelnde Bildung, denn so haben sie keine Ahnung was Bakterien sind, und das die Cholera verursachen. Also was denken die wie funktioniert das Ganze? Durch den Buschfunk ging das Gerücht, Leute von der Regierung streuen ein Pulver vor die Türen der Dorfeinwohner und dadurch werden sie krank. Natürlich völliger Schwachsinn, aber für die Betroffenen irgendwie total logisch. Also waren die Menschen nicht nur wütend auf die Regierung, und jeden der was damit zu tun hat, sondern auch auf die jeweiligen Dorfleiter, da die selbstverständlich mit der Regierung unter einer Decke stecken und das alles zulassen. Leider kam es dadurch zu schlimmen Gewaltausbrüchen...
Es verbreiteten sich massenweise Geschichten über schlimme Vorfälle. Ein Gesundheitsbeauftragter wurde geschlagen bis er ins Krankenhaus musste, ein anderer wurde mit einer Machete angegriffen, noch ein anderer wurde gezwungen eine Flasche Paracetamol auszutrinken, man habe bei dem Auto von jemanden aus der Regierung die Scheiben zerschlagen und die Reifen kaputt gestochen, und und und.... Was davon wirklich passiert ist und was nicht, wird man wahrscheinlich nie erfahren, was man aber raushören konnte war, dass die Stimmung des Volks ziemlich geladen war. 
Da wir hier medizinisch Unterwegs sind, wollten wir den Cholerakranken helfen. Aber wie hilft man Menschen die jede Hilfe ablehnen, weil sie befürchten, dass jeder der zum helfen kommt, es eigentlich verursacht? Das ist eine schwierige Aufgabe und wir überlegten lange bis wir auf einige Ideen kamen. Erstmal spendeten wir dem Gesundheitsamt Chlor, das sie in den Dörfern verteilen konnten. Dann schrieben wir einen Song, der einfache Hygieneregeln beinhaltet und sagt, was im Fall von Cholera zu tun ist. Dieser wurde dann, von einem uns bekannten Sänger, produziert und immer wieder im Radio abgespielt. Natürlich kam noch der Gedanke tatsächlich in die Dörfer rein zufahren und ihnen zu helfen, jedoch war das für uns einfach zu gefährlich, da wir auch gehört haben, dass die Menschen einfach alle fremden Menschen die in ihr Dorf kommen im Ernstfall auch mit Gewalt vertreiben.
Einige Zeit später, mussten wir laut unserem Plan einen unserer Gesundheitsposten besuchen. Das Problem dabei war aber, dass dieser in der Cholera Gegend lag, was somit ein gewisses Risiko mit sich trug. Sehr früh morgens ging es los. Vor uns lag ein weiter Weg und die Ungewissheit, was uns erwarten würde. 
Wir merkten sofort als wir in die Nähe der betroffenen Dörfer kamen. Die Mensche sahen nur unser Auto und brachen in großer Panik aus. Es war furchtbar. Sie sprangen auf, schnappten sich ihre Kinder und liefen so schnell sie konnten, um sich vor uns zu verstecken. Ich habe noch nie so angsterfüllte Gesichter und menschenleere Dörfer gesehen. Normalerweise spielt sich der Alltag des Volkes vor ihren Häusern ab, doch hier schien alles wie ausgestorben. 
Weiter auf unserem Weg, bemerkten wir in einigen Dörfern total zerstörte Hütten. Die Dächer waren runtergerissen und die Mauern eingeschlagen. ein Tag vorher, hatten wir schon gehört, dass daran die Dorfbewohner schuld waren. Die Hütten gehören den Leitern und so wollen sie die vertreiben. Das nahm so heftige Ausmaße an, dass es sogar in Fernsehn kam. An der nächsten größeren Kreuzung hielten wir an und fragten einen Mann, der dort sein Haus hatte, ob es ratsam wär weiter zu fahren. Der erzählte uns ziemlich viel beunruhigendes Zeug. Seit einigen Tage war in der Gegend eine größere Gruppe an Männern unterwegs. Die seien schwer bewaffnet und greifen jeden an, der nur ein wenig verdächtig aussieht, da sie so große Angst haben, dass auch in ihre Dörfer Cholera kommt. Außerdem sind sie es gewesen, die die Hütten zerstört haben. Der Mann erzählte uns noch, dass die Gruppe vor einigen Stunden an der Kreuzung vorbei gegangen war und sich in der Richtung aufhalten müsste, in die wir wollten.
Wir standen lange auf der Kreuzung und überlegten ob wir weiter fahren sollten. Irgendwann entschieden wir uns dafür. Wir sprachen ein Gebet, das Gott uns beschützen möge, nahmen den Mann mit, da er in der Gegend sehr bekannt war und sich im Notfall für uns einsetzen könnte, und fuhren weiter. Mit einem sehr mulmigen Gefühl...
Schon im nächsten Dorf trafen wir auf die besagte Gruppe. An die 15 Männer, bewaffnet mit Macheten und ähnlichem, und einem sehr finsteren Blick standen am Wegesrand und richteten sich direkt angriffslustig auf, als sie unser Auto kommen sahen. Uns blieb fast das Herz stehen. Gut für uns, dass der Weg an genau dieser Stelle sehr eben war. So konnten wir schnell an ihnen vorbei fahren, ohne das sie eine Möglichkeit hatten uns anzugreifen. Sie riefen uns noch wild hinterher mit erhobenem Waffen, aber sonst passierte beruhigender Weise nichts. Jedoch gab uns dieser Anblick zu denken und bot uns zu größeren Vorsicht, denn laut Aussage von dem Mann in unseren Auto, gab es noch mehr solcher Gruppen in der Gegend. Insgesamt sollten so an die 200 Männer so unterwegs sein.
Im Dorf darauf beschlossen wir stehen zu bleiben. Der Mann in unserm Auto meinte, dass dies ein friedliches Dorf sei.
Von dort aus war es zwar nicht mehr weit bis zu unserem Ziel, jedoch war es für uns 'Weiße' in einem Auto einfach ein zu großes Risiko. Wir riefen einen Mitarbeiter von dem Posten an, damit er die Materialien abholen kam, die wir eigentlich hatten hinbringen wollen.
Solange wir in dem Dorf da warteten, wurden die Dorfbewohner neugierig und umzingelten langsam unser Auto. Der Dorfälteste wurde herbeigerufen und fing ein Gespräch mit Julia an. Diese Gelegenheit nutzten wir direkt, um das Dorf über Cholera aufzuklären. Danach wollten wir denen noch Artimesia-Tee da lassen, der sehr gesund ist und von dem wir einen großen Sack dabei hatten. Als wir den Sack mit dem 'grünem Zeug' hervor holten, wichen alle vorsichtig zurück. Vermutlich dachten sie, dass dies das Cholera verursachende Pulver sei. Also blieb uns nichts anderes übrig, und nach einander aß jeder von uns ein wenig von dem Tee (Tee zu essen ist echt nicht lecker), um ihnen zu zeigen, dass davon keine Gefahr ausging. Das beruhigte sie wieder.
Der Mitarbeiter kam und holte die Sachen ab. So konnten wir endlich umdrehen und aus dem Risiko Gebiet raus. Bevor wir los fuhren, bat uns noch ein recht Junger Typ, ihn in die nächste größere Stadt mitzunehmen. Das war kein Problem. Im Auto erzählte er uns dann, wie krass es unter der Bevölkerung abging. Dass er von dem Dorf weg wollte, hatte den Grund das die aggressiven Männer ihn bei den `Raubzügen`dabei haben wollten, und da er sich weigerte kamen sie langsam auf die Idee, er würde der Regierung helfen. Ziemlich krank, immerhin wollte er einfach nur friedlich bleiben...
So rasten wir weiter nach Hause. Vorbei an den menschenleeren Dörfern, manchmal sehr angsterfüllten Menschen und sogar noch einmal vorbei an der gefährlichen Truppe von Männern, die mittlerweile schon etwas weiter gezogen waren. Wir fuhren so schnell es der Weg zu ließ, um aus der Gefahrenzone raus zu kommen. 
Das war echt mal eine seltsames Erlebnis in Memba, und gibt mir manchmal immer noch zu denken...