19. Dezember 2017

Erste (und hoffentlich letzte) Chapa-fahrt

Vor zwei Wochen begab ich mich auf den Weg von der Familie, wo ich seit 1. Monat lebte, in eine Großstadt. Hier sollte ich die nächsten 2 Wochen bei einer Missionarin leben. Leider gab es keine Möglichkeit diesen Weg mit dem Auto zu fahren, also gab es nur eine Lösung: Chapa fahren
Chapas sind eine Art Sammeltaxi. Ein Bulli, der von einem Ort zum anderen fährt und an bestimmten Sammelstellen Passanten dafür einsammelt. Ich war vorher noch nie mit der Chapa gefahren, hatte aber schon tausend mal welche gesehen und zu viele schlechte Erfahrungsberichte darüber gehört. Dazu kam, dass ich zwar von einem Mitarbeiter (Papa Amilca) begleitet wurde den ich kannte und sehr gut leiden kann, jedoch nicht wirklich mit ihm reden konnte, da ich die Sprache sogut wie garnicht beherrsche. Dementsprechend hatte ich ein wirklich mulmiges Gefühl betreffend dieser Reise...
Um 5 Uhr in der Frühe ging es los. Mit meinem Rucksack und meinem kleinem Handkoffer postierte ich mich am Tor des Geländes und wartete. Hier sollte Papa Amilca mich abholen und wir würden zusammen zur Straße gehen und warten bis eine Chapa an uns vorbei fährt und uns mitnimmt. Zehn Minuten später kam nicht nur er die Einfahrt runter, sondern gleich die ganze Chapa mit ihm. Ich bekam sogar einen Platz ganz vorne neben dem Fahrer, was mir mal wieder zeigte wie privilegiert man hier behandelt wird wen man 'weiß' ist. Diesmal stört mich diese Sonderbehandlung aber garnicht soo sehr, da der hintere Teil des Wagens schon mit unzähligen Leuten und Ziegen überfüllt war.
Die Fahrt verlief ganz angenehm. Wir mussten zwar immer wieder anhalten, da eine hoch motivierte Ziege immer wieder versuchte vom Wagen zu springen, kamen aber trotzdem ca. 3 Stunden später in der nächsten Stadt an, wo wir in eine andere Chapa wechseln mussten.
Nachdem wir bisschen mehr als eine halbe Stunde gewartet hatten, kam endlich eine Chapa die nach Nampula (die Großstadt) fuhr. Und ab da wurde die Fahrt zu einem wirklich unangenehmen Erlebnis. Diese Chapa war schon überfühlt als wir einstiegen und im laufe der nächsten 30 min wurde sie immer voller, bis schließlich ca. 20 Leute (Kinder nicht mitgezählt) im Auto saßen wo eigentlich Platz für 9 war. Ich bekam einen Platz direkt an der Schiebetür. Jedes mal wenn die Schiebetür geöffnet wurde, um neue Leute rein zu stopfen, musste ich mich nicht nur an der jungen Dame neben mir festhalten, sondern auch der Mann der direkt gegenüber von mir saß musste meine Beine festhalten, damit ich nicht raus fiel. Mit anderen Worten: Meine Beine wurden durchgehend von einem fremden Mann angefasst und ich konnte nichts dagegen tun weil er mir damit tatsächlich half. Natürlich konnte man in seinem Gesicht ablesen wie entzückt er darüber war.
So saß ich da, so eingequätscht zwischen den Leuten, dass meine Beine immer wieder einschliefen und ich die ganze Zeit Angst hatte, meine Hüfte würde sich ausrenken (weiß nicht ob sowas überhaupt möglich ist). Dazu kam, dass es sehr stickich war und alle im Auto extrem schwitzten.
Aber das Beste kam noch. Irgendwann wurde das Fenster an der Seite geöffnet und wir fuhren so schnell, das mein Kopftuch das ich bis zu diesem Moment anhatte abflog. Unglücklicher Weise löste sich genau im selben Moment mein Haargummi und meine Haare flogen wild durch die Luft. Das ganze Auto bricht in Jubel aus. Entzückte Begeisterung in allen Gesichtern. Die Leute neben mir fange  an mit meinen Haaren zu spielen... garnicht seltsam...Glücklicherweise hatte ich grade genug Armfreiheit, sodass ich mir notdürftig einen Dutt machen konnte. Dies hielt den Mann hinter mir leider nicht davon ab, weiter mit meinen Haaren zu spielen und immer wieder seine Wange an meinem Kopf (wieso um alles in der Welt??!) zu reiben.
Später irgendwann kamen wir an einer Station an wo mehrere Leute ausstiegen und ich bekam einen neuen Platz. Hier hatte ich deutlich mehr Platz für meine Beine. Allerdings saß ich immer noch ziemlich eng zwischen zwei Männern, und der Typ der allen die Plätze vergab hatte so sehr gefallen an meinen Haaren gefunden, dass er den Rest der Fahrt über mich gebeugt verbrachte und immer wieder "zufällig" an mich stieß. Dabei flüsterte er mir immer wieder unschöne Dinge zu, die ich leider nur ignorieren konnte.
Gegen 12:30 Uhr kamen wir endlich in Nampula an, ich war erlöst und ziemlich stolz auf mich, das ich mich bis zum Ende beherrscht hatte und niemanden geohrfeigt hatte.
(Darf ich vorstellen: Typ mit Mütze der die ganze Zeit 'heimlich' Fotos von mir gemacht hat und Typ der unschöne Sachen sagte)

9. Dezember 2017

Kleines Stück Himmel auf Erden

Heute habe ich mal etwas zum neidisch werden: Das MEER...
Mosambik liegt an der Küste Afrikas und ist deshalb reich an wunderschönen Stränden. Ich selber wohne nur 700m vom Strand entfernt und liebe es. Durch unsere Arbeit hier sind wir in der Woche immer von früh bis spät unterwegs, aber Sonntags, da geht's zum Strand. Und zwar zum schönsten Strand auf Erden: Chocos Mar


Selbst der Präsident fährt hier sehr oft hin um Urlaub zu machen und wir brauchen nur 10 min mit dem Auto dort hin. Es ist wunderschön, ruhig, sauber, klares und angenehmes Wasser und beinahe menschenleer. Hier kann man Kraft tanken für die nächste Woche und einfach mal durchatmen...
Der Strand der nur 700m von uns entfernt liegt ist natürlich auch wunderschön. Hier kommen wir hin, wenn wir nicht mehr genug Zeit für Chocos Mar hatten und gehen dann bei Sonnenuntergang am Wasser spazieren. Und der Sonnenuntergang am Strand 
ist einfach etwas Herz erwärmendes...                     
Einmal im Monat haben wir eine Koordinatorren Besprechung. Dafür fahren wir zu einer Lodge nach Nacala und die liegt natürlich auch direkt am Meer.
Das besondere hier: Der lange, türkis schimmernde Streifen. Da starre ich die 2-3 Stunden Besprechung immer drauf und versinke in meinen Gedanken... Einmal konnte ich sogar beobachten, wie zwei riesige Wale im Wasser miteinander 'getanzt' haben. Ich war hin und weg, es war sehr beeindruckend.

Und nun zum letzten Strand den ich vorstellen möchte, immerhin möchte ich dich dann auch wieder nicht soo neidisch machen:) 
Seit Anfang November bis Anfang Januar, lebe ich in Memba, einer anderen Stadt, bei einer anderen Familie. Ich habe andere Aufgaben, Arbeitszeiten und so weiter. Das Besondere hier: Der Strand ist nur 10m vom Haus entfernt. Ich liebe es! Nachts wenn ich einschlafe, höre ich das Meeresrauschen und es ist das Erste was ich höre, wenn ich wieder aufwache. Gibt es etwas schöneres? Morgens nach dem Frühstück, habe ich immer eine Stunde Zeit und gehe dann in eine kleine Hütte aus Bambus am Strand zum lesen. Da kann ich ganz für mich sein. Und wenn ich es etwas gemütlicher haben will, lege ich mich in meiner Mittagspause einfach in eine Hängematte mit Meerblick. Nachmittags gehen wir hier ganz viel spazieren und Sonntags wird gebadet. Ja, das ist der Hammer und ich kann einfach nicht genug davon kriegen :)

8. Dezember 2017

Mein erster kleiner Zusammenbruch

Hattes du schonmal angst, du könntest sterben? Einfach weil du in eine richtig gefährliche Situation geraten bist? Heute will ich dir von meinem 5. Tag erzählen oder eher was spät Abends passiert ist.
Mein Tag begann um halb vier morgens, weil wir in eine Stadt fahren wollten die 4-5 Stunden weiter weg liegt. Dort haben wir einen Gesundheitszentrum und wie sich herausstellte, würden wir diese Fahrt nun 1-2 mal die Woche machen. Bei Zentrum brachten wir benötige Materialien vorbei und schauten noch nach dem Rechten. Dann gings weiter, so tief in den Busch, dass wir mit dem Auto nicht reingekommen wären und zu Mofas wechseln mussten. Die Fahrt auf dem Mofa war sehr aufregend und hat echt Spaß gemacht. Auch wenn das von der Tatsache gestört wurde, dass ich mit einem bodenlangen Wickelrock auf dem Mofa sitzen musste (Dresscode, in einem späteren Post vielleicht mehr dazu) und erst die Kunst erlernen musste, trotz starkem Gegenwind, meine Beine verdeckt zu halten.
Im Busch besuchten wir zwei Posten und dann gings schwer erschöpft und total müde Heim. Wir kamen relativ gut durch und befanden uns gegen 20 Uhr auf der Hoppelstraße, von der aus es nur noch 1 Stunde bis zum Haus brauchte.
Mittlerweile war es schon dunkel geworden. Weit und breit weder vor noch hinter uns ein Auto und auch kein Dorf in Sicht. Ich war schon kurz vorm einnicken, da gab es einen knall, und das Auto fuhr plötzlich komisch. Wir hielten an, stiegen aus und wie befürchtet war das linke Hinterrad geplatzt... Leichte Panik stieg bei uns auf. Wir beide hatten selber noch nie ein Rad gewechselt und waren auf uns alleine gestellt. Im leichten Licht einer kleinen Taschenlampe fingen wir an nach unserem besten Wissen die benötigten Gegenstände vorzubereiten, ständig im Hinterkopf, dass im hohem Gras direkt neben dem kaputten Rad ne menge Schlangen sein konnten und das wir von Leuten aus dem Busch überfallen werden könnten. Ich versuchte trotzdem ruhig zu bleiben, was aber beinahe unmöglich war, bei den hektischen Bewegungen und durchgehend, lauten, panischem Gebet von Julia neben mir.
Ich war grade dabei mit einer Art großem Schraubschlüssel das Ersatzrad runter zu kurbeln, als am Horizont der Scheinwerfer eines Autos aufleuchtete. Da brach die Panik völlig aus. Schnell folgte ich Julias Anweisungen. Ins Auto setzen, Schlüssel in die Hand nehmen, abschließen, Licht ausmachen, leise sein, beten. Julia bewaffnete sich mit dem großen Schraubschlüssel und postierte sich hinter dem Auto. Dann warteten wir. Das Auto kam näher. Ich hörte wie mein Herz raste. Das Auto hielt neben uns an. Ein Scheinwerfer des Autos war kaputt und es war ziemlich dunkel, trotzdem konnte ich erkennen, dass vier Männer ausstiegen. Dann beschlug die Scheibe von innen und ab diesem Punkt sah ich garnicht mehr, was sich Draußen abspielte. Ich fing an zu zittern. Wer mich bisschen besser kennt weiß, dass ich eine blühende Fantasie habe, und in dieser Lage grade konnte ich mir damit alles mögliche vorstellen was passieren konnte. Mein Hauptgedanke war, dass die Männer Julia einfach umbringen würden, die Scheibe beim Auto einfach aufschlagen, mich unter Kontrolle bringen und somit ein Auto gewinnen und mich als kleines, weißes, hilfloses Spielzeug behalten würden. Mein zweiter Gedanke also: Oh Gott, lass mich bitte nicht zum Spielzeug von vier Männern werden! Für die denen es bisher noch nicht aufgefallen ist möchte ich kurz anmerken, ich hatte echt krasse Todesangst...
Verzweifelt versuchte ich in die Stille rein zu horchen, konnte aber nur mein Herzschlag hören. Irgendwann konnte ich wage Männerstimmen hören und das Auto ruckelte etwas. Die Zeit verstrich und ich dachte schon jetzt ist alles vorbei, durch welche dämliche Entscheidung war ich bloß hier gelandet?!
Es konnte sich nur um höchstens 10 min gehandelt haben, für mich fühlte es sich an wie eine Ewigkeit. Ich versuchte nochmal aus dem Fenster neben mir zu schauen und irgendwas zu erkennen, da tauchte plötzlich direkt vor mir ein Gesicht auf. Mein Herz blieb stehen... es war Julia, ich hatte sie schon verloren geglaubt. Mit noch immer zitternden Händen schloss ich das Auto auf und öffnete die Tür. Sie erzählte mir, sie würde den einen Mann kennen und die helfen uns jetzt. Sind vielleicht in 5 min fertig. Falls du glaubst das ich mich nach dieser freudigen Nachricht beruhigte, täuschst du dich. Noch ne Stunde später als ich in meinem Zimmer war, war ich am zittern. Das war einfach zuviel gewesen, denn die Geschichte hätte ich auch ganz anders laufen können. Gott sei Dank, war sie es nicht...

2. Dezember 2017

Posten Einweihungsfeier

Nach dem blöden Vorfall vom Vortag (siehe letzter Post), brauchte ich dringend mal etwas Aktion. Also kam es wie gerufen, dass am nächsten Tag die Einweihungsfeier eines neuen Gesundheitsposten anstand. Alle redeten darüber und es wurde wild geplant, nur ich hatte keine Ahnung was eigentlich abgeht. Sogar am Morgen des Tages, wusste ich nicht was eigentlich Sache ist.
Wir fuhren Morgens früh los und im laufe der nächsten zwei Stunden füllte sich unser Auto immer mehr mit wichtigen Leuten die wir abholten. Der Leiter des lokalen Radios, die Vorsteherin unseres Vereins, der Leiter der Polizei und irgendjemand wichtiges vom Gesundheitsamt. So führen wir rein in den Busch.
Während wir uns dem Dorf immer mehr nährten, konnte ich schon fast spüren wie Julia neben mir immer nervöser wurde. Zwei Minuten bevor wir ankamen erklärte sie mir schnell: " Du gehst einfach die ganze Zeit hinter mir her und machst alles so wie ich es mache. Den Männern vom Militär und dem König gibst du einfach die Hand und begrüßt sie." Schlagartig wurde mir klar, warum sie so nervös war. Was für Typen vom Militär und welcher König?? Ich bekam eine leise Ahnung wie wichtig die ganze Sache hier war. Und so stieg auch meine Nervosität und es wurde immer schlimmer als wir beim Dorf ankamen.

Begrüßt wurden wir von an die 200 Leuten, die uns neugierig anstarrten, und wildem Getrommel. Wir stiegen aus und nachdem wir alle wichtigen Leute begrüßt hatten, setzten wir uns gemeinsam unter eine extra für den Anlass gebaute Überdachung. So saß ich da. In mitten von wichtigen Leuten und ich bekam zum ersten mal zu spüren, wie privilegiert man hier behandelt wird nur weil man "weiß" ist. Ganz ehrlich eigentlich habe ich mich so gefühlt, als hätte ich nichts verloren zwischen den ganzen "Erwachsenen".
Nach dem offiziellem Programm wurde die Musik aufgedreht, alle fingen an zu tanzen, und die wichtigen Leute gingen zum Essen. Am liebsten wär ich da geblieben und hätte mitgefeiert, aber leider musste ich auch essen gehen (es gab Ziegenfleisch, wirklich nicht zu empfehlen...). Da ich mich in der "gehobenen" Gesellschaft sowieso nicht soo besonders wohl fühlte, habe ich mich nach dem Essen erstmal zu einpaar Kindern gesellt, da die sowieso die einfachsten Wesen auf der Welt sind:) 
Irgendwann, als die wichtigen Leute entschieden hatten das sie satt waren, wurde noch ein Gruppenbild gemacht und dann ging es nach Hause. 
Ein ziemlich aufregender Tag, denn ich hatte mich noch nie im Leben so beobachtet gefühlt. Lag wahrscheinlich daran, dass ich wirklich durchgehend von min. 50 Leuten beobachtet wurde. Aber auch das wurde irgendwann das normalste der Welt...